Hoffnungslos im Schulsystem eingeklemmt. Wissen wir eigentlich noch, was wir tun?

Hoffnungslos im Schulsystem eingeklemmt. Wissen wir eigentlich noch, was wir tun?

Wir nennen sie einfach mal Marie. Sie steht stellvertretend für alle Kinder, die, aus was für Gründen auch immer, im derzeitigen Schulsystem nicht zurecht kommen. Die Gründe sind mannigfach, aber die Hoffnungslosigkeit für die Kinder und auch deren Eltern ist gleich, vor allem ist sie fast unerträglich.

Es ist eine wahre Geschichte, eine, von den vielen, die mir Eltern in den vergangenen Wochen zugetragen haben. Allen gemein ist, dass die Beteiligten so tief im Schmerz sind, dass eine einfache Lösung nicht leicht zu entwickeln ist. In allen Fällen macht die Verstrickung der Beteiligten in ihren ganz normalen Lebenszusammenhängen, eine Bewegung in eine Richtung – irgendeine Richtung – fast unmöglich.

Die unsägliche Schulpflicht und das verbohrte Einhalten müssen eines Lehrplans sind hier die Ketten, die Eltern wie Kinder am Marterpfahl anbinden.
Es geht doch längst nicht mehr um die Kinder und den Wunsch, dass sie einen guten und freundlichen Start ins Leben haben. Es geht um das Einhalten und dienstmäßige Durchsetzen irgendwelcher Papiervorgaben. Um die Kinder geht es nicht.

Marie hat in Mitten eines Schuljahres die Schule wechseln müssen. Es gab gute Gründe dafür. Ihre Zeit an der anderen Schule war alles andere als einfach für sie. Auch sie ist eines dieser Kinder, dass im Grunde ganz individuell gestrickte Umstände bräuchte, um Schule möglichst unbeschadet zu überstehen. Sie trägt besondere Begabungen. Ich benutze an dieser Stelle ganz bewusst nicht das Wort ‚hochbegabt‘. Ich möchte sie für diesen Artikel nicht mit der Bezeichnung ‚hochbegabt‘ aus dem Kreis der anderen Kinder zerren, die ja, jedes für sich auch bestimmte Begabungen tragen.

Diese Begabungen und Eigenheiten der Einzelnen finden in ihrem schulischen und sozialen Zusammenhängen keinen Kanal. Auf Grund der strengen Taktung von Schulleben können sie keinen Ausdruck finden.
Es ist schlichtweg keine Zeit für Individualität. Nicht nur keine Zeit, sondern auch kein Einsehen dafür, dass kein Kind sich unter diesen Umständen gut entwickeln kann. Man macht das Einhalten eines Lehrplans zur angebeteten, stählernen Statur. Der sieht so vielen unnützen Stoff vor, dass keine Zeit bleibt für Leben außerhalb der Bildungskralle.

Genau wie in den anderen Geschichten der Kinder, die ich mir in den letzen 14 Tagen anhörte, muß Marie darunter leiden, dass sie mit ihren individuellen Stärken und Begabungen ja gar nicht erst wahrgenommen wird. Sie, wie viele andere, wird lediglich an ihrer Fähigkeit gemessen, wie sie in der Lage ist, vorgegebenen Schulstoff zu schlucken.

Nicht nur, dass sie unter diesen Umständen keine Gelegenheit bekommt, sich mit dem zu beschäftigen, wo nach ihre Seele eigentlich schreit. Nein, sie wird auch noch an dem gemessen, was gar nicht ihr entspricht.

Die Messlatte ist eine willkürlich festgelegte Messlatte. Vergessen wir das nicht. Eine, die vielleicht für den Weg ins Industriezeitalter von gewisser Bedeutung war. Man hat diese Messlatte genommen und legt sie laufend höher, ohne wirklich ersthaft zu überlegen, dass ein ‚Höher-Größer-Schneller-Weiter‘ junge Menschen in eine Krise treibt. Diese ist doch längst nicht mehr zu verantworten.

Marie verstellt sich und verbiegt sich, um diesen unmenschlichen Ansprüchen genügen zu können. Da sind die Erwartungen eines völlig überdrehten Schulsystems. Da sind aber auch die Erwartungen der Eltern. Unter Umständen haben diese noch unterschiedliche Ansprüche. Der Druck von außen wird so groß, dass sie es kaum noch aushalten kann.
Sie verdreht und verbiegt sich, weil sie natürlich versucht dem allen gerecht zu werden. Die anderen machen das ja auch.
Inzwischen steht sie so unter einer inneren Anspannung. Diese führt dazu, dass sie zu Hause und in ihrem Freundinnen Kreis nur mehr explosiv reagieren kann. Sie beginnt damit, es sich mit den besten Freundinnen zu ‚versauen‘.

In ihren jungen Jahren hat sie einen Arbeitstag, anspruchsvoller wie der, vieler Erwachsener. An der neuen Schule hat sie nun an 4 Tagen Ganztagsunterricht. Als ob das nicht schon genug wäre, so bekommen die Kinder, nach einem ganzen Tag Schule, auch noch Hausaufgaben.

Sind wir als Verantwortung tragende Erwachsene, eigentlich noch zu retten? Wer bitte läßt sich so einen Irrsinn einfallen? Wir müssten doch aufstehen und alle signalisieren, dass das ganze System unsere Kinder krank macht!

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Marie, wie viele andere ist unter enormem Druck. Sie weiß nicht wohin, mit sich selbst.

Immer mehr reagiert sie anderen gegenüber unangemessen. Die Situation verschärft sich.

Ganz ähnlich wäre hier die Geschichte der anderen Kinder, die ich in der vergangenen Woche gehört habe. Natürlich aber sind die individuellen Reaktionsweisen unterschiedlich.

Das eine Kind reagiert konfrontativ-explosiv. Das andere Kind reagiert durch Rückzug, wird still und zieht sich in sich zurück. Andere entwickeln Abhängigkeiten, Essen zu viel oder zu wenig. Sie bekommen Bauch- oder Kopfschmerzen. Nun beginnt der Tanz zu Beratern, Ärzten, Therapeuten und zur Nachhilfe. Monate oder Jahre gehen ins Land.

  • Noch mehr Termine
  • Noch mehr Sorgen
  • Noch mehr Kosten
  • Noch mehr Stress.

Allen diesen tragischen Geschichten ist gemeinsam, dass Kinder wie Eltern in einer kompletten Ohnmacht stecken. Das ist auch klar, denn im Moment sind insbesondere die Kinder, die  ganz bestimmte Bedürfnisse haben (das sind vielleicht sogar alle Kinder), in erster Linie eingequetscht in ein unflexibles und wenig bewegliches System.
Wenn man jedes Dach von jedem Haus abnehmen würde und dann mal von oben schauen würde, dann möchte ich nicht wissen, wieviel Drama sich in jedem Haushalt zum Thema Schule abspielt?

Alle machen weiter.

Eltern versuchen sogar Schulwechsel, unter Umständen mitten im laufenden Jahr. Verzweifelt suchen sie nach den anderen Möglichkeiten. Die Warteliste an dieser oder jener Schule ist eine Riesenhürde. Man kann sich nicht bewegen und muss sein verzweifeltes Kind doch täglich in diese Schule bringen, von der man weiß, dass es im Moment dort überhaupt nicht zurecht kommt.

Ist das nicht grauenvoll? Ist das nicht Folter? Ich bin sauer und ungehalten darüber. Ich bin sauer, dass wir Eltern das alles mitmachen. Ich bin sauer, dass die Augen zu und durch Mentalität für das eigene Kind so groß ist. Wir müssen gemeinschaftlich denken lernen. Ja, ich wünsche mir, dass auch die mitdenken und helfen, deren Kind scheinbar problemlos durchrutscht.

Im Grunde müssten wir doch alle aufstehen und dem Einhalt gebieten. Es geht doch um die körperliche und seelische Gesundheit unserer Kinder. Es geht um die gesunde Entfaltung einer ganzen Generation.

Stattdessen geht es einfach nur weiter. Was soll ich dir sagen, es wird sogar noch schlimmer. Kannst du das glauben?

Für Marie ist es noch nicht zu Ende. Sie kam dann, nach einigem Suchen und ernsthaften Entscheidungen, an eben diesem Gymnasium an.

An ihrem ersten Schultag in der neuen Schule kam sie als Fremde in die Klasse. Hier wurde sie weder begrüßt, noch durch einen ausgebildeten Pädagogen (stell dir vor) mit ein paar wohlwollenden Gesten in die Klassengemeinschaft integriert.
Der Unterricht wurde einfach weitergeführt. Business as usual. Kannst du das glauben? Ja, so war das.

Jetzt bist du dran. Ich glaube es geht hier längst nicht mehr um mein Kind und dein Kind. Es geht um unser aller Kinder. Wir müssen darüber reden. Die Umstände aufzeigen. Wir müssen damit aufhören uns in diese Wege hineinziehen zu lassen, die die Kinder immer mehr zu Opfern dieser krankmachenden Umstände macht.
Es könnte so viel einfacher sein. Ich bin so dankbar für all die Bewegung und all die Initiativen, die sich an vielen Orten aufmachen und für bessere Umstände sorgen. Dann sind wir noch lange nicht da, dass Kinder frei und selbstbestimmt lernen können. Für all die Maries da draußen ist es vielleicht zu spät. Aber es ist ein Anfang. Immerhin!

Eher bildhaft ausgedrückt, als Geschichte verpackt, findest du dieses Thema aufgearbeitet, in diesem Beitrag.

Den heutigen Artikel kannst du richtig gerne teilen.


Die schwere Geburt in ein neues Verständnis von Bildung und Lernen.

Heute morgen habe ich dem Vortrag von Jesper Juul im Kongress Schools of Trust gelauscht. Ich mag seine pragmatische Art einfach sehr. Er hat diese wundervolle Gabe, die komplexen Zusammenhänge auf simple und eingängige Art zu erklären. Auch er ist der Meinung, dass Veränderungen für unsere Kinder und Lehrer nicht von ‚oben‘ kommen können. Genau wie er, frage ich mich:

  • Warum gehen Eltern nicht auf die Strasse und sagen, da schicke ich mein Kind nicht mehr hin?
  • Warum sagen Lehrer nicht: Da gehe ich nicht mehr hin?
  • Warum machen Therapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten und Psychologen das alles mit? Sie behandeln weiter, obwohl sie wissen sollten, dass sie durch ihre Behandlungen und Maßnahmen die Kinder unter Umständen wieder in ein System ‚zurück-therapieren‘, das in höchstem Maß für Krankheit und Auffälligkeit von Kindern und Fachpersonen sorgt?
  • Warum sollen Eltern ein Bußgeld zahlen, wenn ihre Kinder nicht mehr freiwillig in diese Schule gehen, die ihnen so offensichtlich das Leben schwer macht?
  • Warum verschreiben Ärzte Pillen und Therapien, wenn die Kinder Symptome zeigen, die ganz deutlich machen, dass sie nicht in die Schule oder in den Kindergarten gehen können?

Für so viele Beteiligten ist es wirklich eine Tragödie. Darüber hinaus ist es nicht einfach den Überblick zu behalten und weiße Entscheidungen für die Kinder zu treffen. Entscheidungen, die langfristig auf Gesundheit, Lebensfreude und Zufriedenheit setzen und nicht auf Funktionalität und messbare Ergebnisse.

Woran sollen Eltern sich orientieren? Sie müssen sich die Freiheit, selbstbestimmte Entscheidungen bezüglich der Erziehung und Bildung ihrer Kinder treffen zu können, hart erarbeiten. Egal in welchen Lebensumständen du dich befindest, es ist kein Weg, der dich mit deinem Kind auf Rosenblüten dahin wandeln läßt. Jedes bisschen Freiheit und jeder Schritt in eine selbstbestimmte, vielleicht freiere Lern- und Lebenskultur, will wirklich erobert sein. In fast allen Fällen muss Geld aufgebracht werden, vielleicht muss man die Familie in die Nähe einer anderen Schule umpflanzen? Vielleicht muss man in das Ausland ziehen? Auch gibt es Fälle, wo man rechtliche Auseinandersetzungen führen muss, um die eigenen Kinder zu bewahren? In bestimmten Situationen sind sich die Eltern nicht einig oder es kommen sogar mehrere Umstände zusammen.

Ich kenne viele Eltern, die eine Menge auf sich nehmen, nur um für ihre Kinder ein Umfeld zu schaffen, dass gesündere und wohlwollendere Lernbedingungen und Lebensumstände schafft. Eltern, die gelernt haben, dass es so nicht geht. Eltern, die bereit sind andere Prioritäten zu setzen, zu experimentieren und zu forschen, um Möglichkeiten zu entwickeln, die nachhaltig sind und gesunde Prozesse schaffen. Eltern die einfach in die natürlichen Lernprozesse der Kinder vertrauen.

Ich halte diese ganzen Bewegungen für außerordentlich wichtig, um eine größere Veränderung auf breiterer Ebene herbei zuführen.
Es ist wichtig, dass wir eine Vielfalt von Möglichkeiten kreieren und uns weg bewegen von dieser breitgestreuten Vorstellung, dass Kinder nur im klassischen ‚Schulsetting' lernen. Dahin zu gelangen, ist ein langer Weg.

Mir fällt auf, wie wenig sich viele Erwachsene überhaupt auch nur vorstellen können, dass Kinder mit einem größeren Maß an Freiheit und Möglichkeit für eigenständige Entscheidungen überhaupt lernen können und wollen.

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Viele Erwachsene sind noch so sehr mit einem System aus Kontrolle und Disziplin in Lernangelegenheiten verwoben, dass es ihnen unmöglich erscheint,  die Vorstellung an sich heran zu lassen, dass ein Kind keinen Druck uns keinen Gleichschritt benötigt, um freudvoll und immerzu lernen zu können.

Ich freue mich über jeden, der das in Erfahrung gebracht und um die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit dieses Weges weiß.

Auch wenn es viele nicht sehen wollen. Die Zeit von Schule, so wie wir sie kennen, ist vorbei. Das „Neue“ ist noch nicht ganz geboren. Es ist noch eine gutes Stück Arbeit. So mancher kann das ‚Köpfchen‘ schon sehen. Für viele ist es eine schmerzhafte, schwere Zangengeburt. Doch für andere ist es ein toller, freudvoller, leidenschaftlicher Geburtsprozess. Zurück geht es nicht mehr.  Ich möchte Mut machen, sich aufzumachen und den persönlichen Forschungsweg anzugehen, auch wenn es zunächst etwas holprig erscheint.

Es kann nur besser werden.


Ich möchte dich hier auf zwei naheliegende Veranstaltungen aufmerksam machen. Da ist zunächst das kommende Tagesseminar hier bei mir in der Köttingermühle. Info findest du hier.
Aufregend, wie ich finde, ist auch das EduWorkCamp, das ich persönlich als eine Möglichkeit der wohlwollenden ‚Geburtshilfe‘ für neue Formen von Erziehung, Lernen und Arbeit der Zukunft verstehe. Wäre schön, wenn du dabei bist.

 

 

Die schwere Geburt in ein neues Verständnis von Bildung und Lernen.