Pflaumenmus kochen
oder Lernen entfaltet sich aus der Beziehung und im „unsichtbaren“ Raum zwischen Menschen (oder Tieren)
Jul (7) möchte Pflaumenmus herstellen und fragt mich, ob ich ihm helfen würde Pflaumen zu pflücken. Soeben waren wir bereits am Baum und die guten Pflaumen waren nicht mehr in Reichweite. Er organisierte Werkzeuge, mit deren Hilfe wir Äste zu uns herunter ziehen konnten.
Schnell waren die Jackentaschen angefüllt und wir gingen ins Haus, um Pflaumenmus für das Abendessen zu kochen, dachte ich?
Er nun wollte die Pflaumen nehmen und zermatschen. Vor meinem geistigen Auge gab es Milchreis mit warmem Pflaumenmus.
Das war ein sehr brisanter Moment, denn das Projekt wäre für ihn an dieser Stelle zu Ende gewesen, wenn ich ihm mit seinem Vorhaben an dieser Stelle keinen Raum gegeben hätte. Auch er hatte ein konkretes Bild von Pflaumenmus. Er verfolgte die Idee seines Pflaumenmuses, ich die meine.
Meine Frage lautete also:
„Ok, wie viel Pflaumen benötigst du, alle?“
„Nein,“ war seine Antwort, „...nur ein paar“
Er nahm sich also die Pflaumen, ich durfte nicht zuschauen, will dir aber an dieser Stelle schildern, was nun geschehen ist.
Mit allerhand Gerät aus meiner Küche wurde versucht dieses Obst zu zermatschen, dann wurde Pfeffer, Salz, Schokolade, Brause dazu gefügt, ich will nicht genau wissen, was sonst noch...
Ich unterdessen koche Milchreis mit Pflaumenmus. Wir sind beide in unseren Vorhaben tätig.
Nach ca. 30 min deckt er den Tisch, wir stellen alles Essen auf den Tisch und essen zu Abend.
Er meinte, dass es eigentlich ganz lecker schmecken würde, verzieht dabei kräftig das Gesicht, ich esse auch von seinem Gericht, verziehe auch ein wenig meine Mundwinkel und wir haben unseren Spaß.
Warum erzähle ich dir diese kleine Geschichte:
Nun -, sie soll verdeutlichen, dass wir an jedem Tag, zu jeder Minute mit den Kindern die Gelegenheit haben, die Beziehungen und die grandiosen Lernmomente für Erwachsen und Kinder zu sabotieren, indem ich nur Raum für meinen Pflaumenmus gebe, indem ich in Konzepten stecken bleibe (mit Essen spielt man nicht...), oder diese kleinen Anregungen und Ideen der Kinder für nicht wichtig halte. Das, was ich Lernen nenne, geschieht aus diesen wundersamen „Jetzt“-Momenten mit den Kindern.
So oft es mir in den stressigen und durchorganisierten Zeiten möglich ist, gebe ich Raum für diese Arten von Miteinander, die Kinder und mich nähren, denn ich weiß, dass genau das Lernen ist. Und ganz neben bei, quasi unmerklich, lernen sie zu kochen oder was auch immer sie lernen müssen....
Zu welchen Situationen in deinem Alltag hättest du Gelegenheit den Konzepten deines Kindes Raum zu geben?
Ist das wohl auch mit einem Säugling oder Kleinkind möglich?
Ist Beziehung und Lernen dieser Art überhaupt möglich, in meinem stressigen und durchgeplanten Alltag?
Uta Henrich Oktober 2013
www.wundersameslernen.de