Zurück zum Ruhepuls. Wege aus der Über(an)spannung im Leben mit Kindern.

Vergangenen Woche habe ich darüber geschrieben, wie Kinder die allgegenwärtige Über(an)spannung der Erwachsenen ‚erlernen‘. Damals habe ich in Aussicht gestellt, dass ich in Teil zwei dieser kleinen Serie, darüber schreiben wollte, was in in meinen Augen im Zusammenleben mit Kinder dringend erforderlich ist, damit Kinder freier und selbstbestimmter ihre Anlagen nutzen können und damit natürlicher lernen können.

Damit tut sich im Grunde ein riesiges Thema auf und ich kann mir gut vorstellen, dass du schnell abwinken oder einlenken wirst. Zum Thema Entschleunigung, Wellness, Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele, gibt es Informationen ohne Ende.

Was genau könnte also die Information sein, die ich hier einflechten möchte, von der ich der Meinung bin, dass sie nicht für zusätzlichen Ballast und Verunsicherung sorgt?

In Teil 1 habe ich darüber geschrieben, dass die Überanspannung in den Erwachsenen und leider auch in vielen Kindern so gegenwärtig ist, das wir sie nicht notwendigerweise erkennen und ihr entgegen wirken können, weil Anspannung so selbstverständlich geworden ist.

Es ist alles andere als einfach, aus einem hohen Stresslevel, den man noch dazu für völlig normal und angemessen hält, eine Art ‚Nulllinie‘ zu erreichen, die eigentlich ein freies und selbstbestimmtes, naturnahes Lernen erst ermöglichen würde.

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Daher interessieren mich Ansätze, die es erleichtern würden, dass sich von Anfang an, nicht so viel Ballast in den Kindern auftürmt, so dass ihr Stress- und Drucklevel niedrig bleiben kann. Stress, auf den ich als Erwachsene keinen Einfluss habe, gibt es schon genug.

  • Ich halte es für wichtig, dass wir den Kindern Möglichkeiten erhalten können, dass sie sich quasi gut verkörpern können. Mit Sicherheit benötigen sie zu Beginn ihrer Lebenszeit Wohlwollen, Wärme und die Gelegenheit, dass sie gut in ihrem Körper ‚ankommen’ können. Ich finde es wichtig, über die Zusammenhänge von Körper, Bewegung, Lernen, Stress, Hormonen, wohlwollende Berührung, in Beziehung sein, Körpersprache und Sein informiert zu sein, damit Erwachsene verstehen lernen, dass Lernen nicht erst in der Schule beginnt, sondern die feinen Wurzeln dafür ganz, ganz früh gelegt werden.
  • Daran schließt sich für mich unmittelbar an, dass Erwachsene nicht so früh damit beginnen, die Kleinsten zu intellektualisieren. Ich denke, dass durch die Verschiebung der Interessen hin zu einer immer früher einsetzenden ‚Verschulung‘, die Kindheit weg rationalisiert wird und damit die Gefahr besteht, dass Kinder viel zu früh vom Bauchmensch in den Kopfmenschen gezwungen werden.
  • Daraus folgt für mich, dass ich beobachte, wie das Vertrauen der Erwachsen in die natürlichen Lernprozesse der Kinder schwindet und sich daraus ein sehr ungünstiger Kreislauf entwickelt, der uns weis machen will, dass Lernen nicht von alleine stattfindet, sondern von Erwachsen hervorgebracht werden müsste.
  • Ich beobachte die Zunahme der Komplexität von Fragestellungen in Erziehung und Lernen. Erwachsene versuchen ständig der Zunahme von Geschwindigkeit und Komplexität gewachsen zu bleiben. Das Tempo und die Anforderungen im Alltag steigen. Daraus folgt, wenn wir den Bewegungen nicht mit Bewusstheit begegnen, dass wir von den Kindern viel zu oft abverlangen, dass sie sich dem Erwachsenentempo anpassen. Das wiederum stresst die Kinder noch mehr und in diesem Zusammenhang entsteht ein Kreislauf, dem nur mit Achtsamkeit und Bewusstheit zu entkommen ist. Ich halte es heute für wichtig, sich Raum und Zeit zu nehmen, um die ‚Kinderzeit‘ zu betreten. Eine Zeit, in der eine andere Uhr läuft. Eine Uhr die eine andere Zeitqualität misst. Eine Uhr die Langweile zulassen kann, die keine Termine hat, die Zeit verplempern mag, die träumen mag und in die ‚Luft‘ schauen kann. Dies alles damit Kinder die Chance behalten, in ihre Kraft zu wachsen. Manchen Erwachsnen tut es vielleicht auch gut die 'Kinderzeit' zu betreten.
  • Ein weiterer wichtiger Aspekt ist für mich, dass Erwachsene sich über die Bedeutung von Emotionen in unserem Leben klarer werden. Darunter verstehe ich nicht ausgelebte und ausgedrückte Gefühle aus der Vergangenheit. Sie sammeln sich, auch schon bei den Kleinsten in den Körperzellen an und sorgen auf Sicht gesehen für Ungleichgewicht, Stress, Emotionalität und Krankheit.
    Emotionen sind ein ganz wesentlicher Faktor für Über(an)spannung. Das kannst du überall beobachten, wo sich Emotionen schnell einmal unkontrolliert entladen. Leider entstehen diese Emotionen um so leichter im Körper der Kinder, wo es nicht von Anfang an erwünscht ist, dass die eigentlichen Gefühle unmittelbar gelebt werden. So groß ist heute der Anspruch, dass Kinder funktionieren müssen. Kinder verlernen durch Erziehung, Schule und Gesellschaft regelrecht ihren Gefühlen unmittelbar und authentisch Ausdruck geben zu dürfen. Zu früh lernen sie, was sie nicht sagen dürfen, wie man sich ordentlich benimmt, wie man unauffällig ist. Man lernt sozusagen schon sehr früh, so zu tun, als ob man gewisse Gefühle gar nicht hätte. Man lernt Wut, Glück, Freude, Schmerzen etc. herunter zu schlucken und so zu tun, als ob man sie nicht hätte.
    Kinder lernen , es allen Recht zu machen und verlieren ihren authentischen Ausdruck, mit dem Ergebnis, das sich Emotionen in ihnen anhäufen, was wiederum zu einer Überanspannung des Nervensystems führt. Weiter Stress entsteht und der Kreislauf bekommt neue Energie für sein Überleben.

Ich habe dir nun in einigen Beispielen aufgezeigt, was in meinen Augen dazu führt, dass auch Kinder, die im Grunde recht privilegiert groß werden, trotzdem (oder gerade) unter erschwerten Bedingungen leiden. Auch diese Kinder leben noch lange keine optimalen Bedingungen um frei und selbstbestimmt lernen zu können. All dies ist gar nicht so offensichtlich, weil man meinen sollte, dass viele Kinder dieser Zeit schon tolle Bedingungen hätten.

Ich hingegen möchte mich dafür stark machen, dass wir auch diese Ideen von Bildung und Erziehung kritisch hinterfragen sollten. Auch das, was wir im Moment für so erstrebenswert und unumstösslich halten, ist für mich weit von einem Optimum für ein menschengerechtes Lernen entfernt.

Durch meine Arbeit, in der ich auf viele Dinge aufmerksam machen möchte, die bezüglich des Lernens zwischen den Zeilen geschehen, hoffe ich, dass ich dich mit meinen Inspirationen für ein Verlernen in deiner unmittelbaren Umgebung gewinnen kann. Ich freue mich, wenn du mir schreibst und mir deine Erfahrungen und Ideen mitteilst.

 Hier findest du Teil 1 zu diesem Beitrag: Weit entfernt vom Ruhepuls. Wie kommt die Überanspannung in die Kinder

 


Weit entfernt vom Ruhepuls - Wie kommt die Über(an)spannung in die Kinder?

Vor zwanzig Jahren habe ich in Amerika ein sechswöchiges Internship bei einem Psychologen verbracht. Ein Internship ist eine Zeit, in der man einen Mentor sehr intensiv begleitet, um tiefer einzusteigen und zu lernen. Ich habe seinerzeit die Zusammenhängen von Körper und Emotionen ein weiteres Stückchen erarbeitet. Neben der Begleitung seiner Seminare und Beratungsgespräche, hatte ich eine intensive Zeit der Innenschau.

Eines Tages haben wir einen seiner Freude besucht, der Forschung auf diesem Gebiet zwischen Gehirn, Körper und Emotionen betrieb. Ruck zuck war ich an irgendwelche Maschinen angeschlossen, die meine Gehirnaktivität messen sollten und an ein anderes Gerät, dass den Grad meiner Entspannung sichtbar machen sollte.

Dieser Forscher fragte mich, ob ich denn entspannt sei und nach einem kurzen Check gab ich ihm zur Antwort, dass ich entspannt sei. Er grinste und zeigte mir an Hand einer Skala, dass ich weit davon entfernt sei, entspannt zu sein. Tja!

In unserer Zeit der ständigen Verfügbarkeit, dieser enormen Schnelligkeit, des immer bereit für Handlung sein müssen, haben sich die Parameter verlagert, die uns ein gutes Körpergefühl und ein Sinn für Entspannung geben.
Auch hier glauben wir so gerne, dass uns die Espresso-Variante zu wahren Entspannung verhilft. Ein Stündchen Yoga die Woche, der zwanzig Minuten Fußweg zur Arbeit, die Tasse Cafe im Stehen.

Ich denke, das unser Nervensystem derart überspannt ist, dass wir kaum mehr ein Maß für eine wirkliche Entspannung haben. Wir sind meilenweit entfernt vom Ruhepuls und merken es nicht mal.

Meine sehr verehrte Feldenkrais Lehrerin hat uns, mit einem Augenzwinkern immer wieder sehr eindringlich auf Menschen aufmerksam gemacht, die nach einer Körperbehandlung in gewisser Weise zusammenklappen. Diese gestresste Mutter, die nach einer Behandlung in ein Loch fällt, oder dieser Mann, der sich nach einer Behandlung subjektiv schlaff fühlt, weil er das Maß an Entspannung seit langem nicht mehr erlebt hat.
Von meiner Lehrerin kam dann der Satz: „It is the Tension, that keeps me together:“ ( Es ist die Spannung, die mich zusammenhält.)

Woran merkst du, dass du entspannt bist?
Meinst du, dass da noch etwas mehr geht?
Wieso fällt es uns so schwer ein volles Maß an Entspannung zu erlangen?
Was ist ein volles Maß an Entspannung? Wie würde sich das anfühlen?

Ist es denkbar, dass unsere Kinder sich das Überangespannt sein von uns ‚abschauen‘? Ist es denkbar, dass die Art Betriebsamkeit, das Funktionieren müssen, nicht wirklich loslassen und abschalten können, mit ein Grund für viele Probleme im Alltag mit den Kindern ist?

Kann es sein, dass in unserem Leben als Erwachsene die Parameter für Entspannung und damit für ein gesundes und zufriedenes Leben derart verschoben sind, dass wir gar nicht mehr so selbstverständlich zu einem gesunden Maß finden? Ist es denkbar, dass wir so angespannt sind, dass wir kein gesundes Empfinden für wirkliche Entspannung haben?
Kann es sein, dass viele Schwierigkeiten im Leben mit den Kindern, der Versuch der Kinder sind, mit unserem Aufgedreht sein und unserer Überanspannung im Nervensystem zu kooperieren?

Vielleicht wirst du denken, dass das ja nun alles nichts Neues ist. Und ja klar, wir brauchen mehr Entspannung und Entlastung. Ja, ja, Entspannung und Stille, damit wir dann später um so höher, größer, schneller, weiter….

Das ist aber nicht der Punkt, den ich an dieser Stelle machen möchte.

Ich möchte vielmehr darauf hinaus, dass unsere Kinder viel mehr eigene Zeit, eigene Rhythmen, Möglichkeit für ihre ureigene Stille, Ruheräume benötigen, um ihr Nervensystem überhaupt gesund und natürlich entfalten zu können.
Ein wesentlicher Bestandteil liegt für mich darin, dass die jungen Menschen weiterhin 'Besucher' ihrer eigenen Innenwelt bleiben können und dürfen.

Ich bin der Meinung, dass wir sie da nicht so schnell und unbedacht heraus holen dürfen. Später, wird es ihre Quelle der Kraft, Kreativität und Lebensfreude sein. Wenn sie viel zu früh gezwungen sind, ihre inneren Räume zu verlassen, um mit Erwachsenen zu kooperieren, die auch nicht wissen, was sie tun, dann ist das ziemlich problematisch.

Da die Kinder die Meister der Kooperation sind, liegt es in meinen Augen in der Verantwortung der Erwachsenen nicht nur für diese ‚äußeren’ Formen von Bildung einzustehen, sondern diese inneren Formen von Bildung anzuerkennen und zu ermöglichen.

Somit sind wir hier in der Verantwortung. So, wie Kinder lernen, sich zwischen den Zeilen unseren Stress abzuschauen, so bräuchten sie dann Gelegenheit sich zwischen den Zeilen das abzuschauen, was ich als Erwachsene tun würde, um gut für mich zu sorgen.

  • Ist es das sie von mir mitbekommen, dass ich gestresst zum Yoga hechte?
  • 
Ist es, dass sie mich schreien hören, weil ich verdammt noch mal, einen Moment für mich benötige?
  • Ist es, dass sie abends spüren, dass ich sie leicht hochtourig ins Bett bringe, weil ich weiß, dass ich dann gleich!!! Zeit für mich brauche?
  • Ist es, dass ich Tag für Tag über den morgendlichen Ablauf lamentiere, ohne ein paar Entscheidungen zu treffen, die vielleicht unbequem sind?
  • Ist es, dass ich mich scheue mit meinem Lebenspartner ein Gespräche über unsere grundsätzliche Lebensrichtung zu führen?
  • Ist es, dass ich das Kind, wider meines besseren Wissens, in eine Tageseinrichtung gebe, von der ich weiß, dass dieser Umstand uns allen nicht gut tut?
  • Ist es, dass ich mit Schwiegermutter und Kinderbetreuung einen faulen Kompromiss eingehe, wohl wissend, dass dies zu emotionalem Rückstau in meiner Familie führt.
  • Ist es, weil ich selber renne, aus Unsicherheit den Schmerz der nötigen Bewusstwerdung meines Marathons zu spüren?

Glaubst du, dass unsere Kinder lediglich das lernen, was ihnen in der Schule vorgesetzt wird?

Wir brauchen ein größeres Wissen dazu, wie diese natürlichen Abläufe sich vollziehen, welche Voraussetzungen es braucht, damit Kinder sich gut in ihren eigenen Strukturen verwurzeln können, damit ihnen später auch Flügel wachsen können.

Derzeit erscheinen mir die Flugversuche sehr erschwert zu sein, zu viele Kinder machen schmerzhafte Bauchlandungen. Unzureichend mit sauberen Flugqualitäten ausgestattet, die sie sich bei Erwachsenen nur schwer abschauen können.

 

 

Hier findest du nun Teil 2 dieser Serie: Zurück zum Ruhepuls. Wege aus der Über(an)spannung im Leben mit Kindern.

 

 Hier findest du Informationen zu meinem Beratungsangebot. Gerade gestern sagte eine Mutter zum Ende meines  Seminar s: "Die Leichtigkeit ist noch da, ich muss sie nur wieder reinlassen