Geburt oder Entbindung? Ein Plädoyer für eine würdevolle Geburtserfahrung.

Heute wissen wir längst, dass eine möglichst stressfreie Geburt eine bedeutsame Grundlage für alle weiteren Lernprozesse im Leben ist.
Das Geboren werden hat weitreichende Auswirkungen bis hin in nächste Generationen.
Schlimm ist, dass inzwischen vielen Eltern gar nicht mehr klar ist, was eigentlich eine stressfreie, würdevolle Geburt ist.
Die klinische Geburt scheint das neue ‚normal‘ zu werden.
Es könnte geschehen, dass schon in der nächsten Generation Kaiserschnitt, induzierte und forcierte Geburten als völlig normal hingenommen werden. Man wird dann nicht mehr wissen, welche Schätze für Mutter und Kind einst im natürlichen Geburtsprozess verborgen waren. 

Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einer Mutter, die vor einigen Wochen ihr zweites Kind geboren hat. Ich schreibe bewusst ‚geboren‘. Dieses Wort drückt für mich aus, dass es ein Akt der Kooperation zwischen ihr und ihrem Kind war.
Sie wurde nicht von dem Kind entbunden, was in gewisser Weise beide zu einem Objekt macht.

Auch wenn es eine geplante Hausgeburt war, die dann doch in einer Klink stattgefunden hat, so war ich von den Erzählungen sehr berührt. (Doch mehr dazu etwas später im Text.)

Es gibt sie noch, die (klinischen) Geburten, die in großem Maß durch Selbstbestimmung und Würde geprägt sind.

Bei den ganzen Geschichten zu Entbindungen, die ich in den letzen Monaten hören musste, war ich traurig und wütend, dass uns die Natur der Geburt verloren zu gehen scheint.

Ich hörte all die Geschichten von Frauen, die nicht wissen, wo sie gebären sollen.

  • Wo sie eine vertrauenswürdige (Haugeburts-) Hebamme finden, die in akzeptabler Entfernung wohnt und Zeit hat.
  • Wo Frauen zur Einleitung der Geburt zu einem bestimmten Termin geladen werden (neben 12 anderen), weil sie angeblich über die Zeit sind ( welche Zeit, die des Kindes oder die der Entbindungsindustrie ?)
  • Wo Frauen in einem ungemütlichen Flur alleine sitzen müssen, weil die Kreißsäle besetzt sind.
  • Wo Frauen in einen Kaiserschnitt gedrängt werden, weil der Kopf des Kindes angeblich so groß sei.
  • Weil Frauen mit einem errechneten Geburtstermin so unglaublich unter Stress gesetzt werden
  • Wo Frauen durch allerlei unnötige Interventionen, mehr oder weniger bewusst aus ihrem Flow gebracht werden, sich damit das Risiko für eine komplikationslose Geburt erhöht.
  • Wo Frauen unter der Geburt, mit gestresstem Krankenhauspersonal zu tun haben.
  • Wo den Frauen Gewalt angetan wird, weil man sich auf ihren Bauch schmeisst oder sie schneidet, nur weil man ihr und damit dem Kind zuvor nicht gestattet hat, sich frei zu bewegen.
  • Wo man sie (oftmals) unnötigerweise zu einer Betäubung des Unterleibs überredet und sie damit sich und das Kind mit seinen Bewegungen nicht mehr spüren kann.
  • wo ständig Ängste geschürt werden

Ich könnte noch ewig so weiterschreiben, das sind aktuell lediglich Bemerkungen zu Geburten, die ich in den letzten Wochen erzählt bekommen habe.

Ich wünsche mir, das keine Frau das mehr erleben muss. Daher sollten wir aufstehen und diese Entwicklungen beenden.

Wo sind die Großmütter und die unzähligen Mütter, die zutiefst schmerzhafte und entwürdigende Erfahrungen machen mussten?

Die Vorstellung, dass meine sechs Kinder keinen Ort finden könnten, der sie in Ruhe und mit Würde gebären lassen würde, hinterlässt mich mit Wut und Ruhelosigkeit.

Noch gibt es auch andere Beispiele.

Hier nun etwas Positives, was sich in den letzten Wochen in einer Klinik zugetragen hat:

Ein Elternpaar kommt an einem Sonntag Abend unangemeldet in eine Klinik, weil es sich Sorgen machte. Nicht etwa, weil es dem Baby schlecht ging, sondern weil Eltern heute ständig verunsichert werden. Unsere Gesellschaft verliert die Fähigkeit sichere Räume für gesunden Wachstum zu schaffen und dies von Anfang an. Die Geborgenheit der Mutter in einer sicheren und aufbauenden Gesellschaft wird fast unmöglich gemacht.

Das Kind war etwas über die Zeit. So drückt man aus, wenn man nicht die Zeit des Kindes bemisst, sondern die eines weiterhin unbegründeten Regelwerkes.

Die Eltern wurden freundlich empfangen. Man hat ihre Geschichte angehört. Sie bekamen keinerlei Vorwürfe gemacht, weil sie nun in einer Klinik seien. Man hat sie in keiner Weise überheblich behandelt, weil sie eine Hausgeburt geplant hatten.

Mundschutz hat keine Rolle gespielt.

Die Mutter wurde gefragt, ob sie diese oder jene Untersuchung wolle.
Es wurde kein Zugang für etwa notwendige spätere Eingriffe gelegt. Mutter und Vater fühlten sich dort sicher, wertgeschätzt und wahrgenommen.

Was soll ich sagen: Das Kind hat sich dort unmittelbar auf den Weg gemacht.

Man hat der Mutter die warme Wanne angeboten. Die Mutter hat zum Ausdruck gebracht, dass es ihr eher nach Eis zu Mute sei. Man hat ihr in Tücher eingewickelte Eiswürfel gebracht.
Das nur mal als kleines Detail, wie sehr man bemüht war, den Bedürfnissen der Mutter gerecht zu werden.

Das gesunde Kind wurde nur wenig später geboren.

Man hat der Familie Zeit gelassen.
Man hat Ihnen sogar einen besonderen Raum für die ersten Stunden gelassen, obwohl man wusste, dass es eine ambulante Geburt sein sollte
Man hat bestimmte Untersuchungsergebnisse abwarten wollen und im selben Moment keinen Stress gemacht.

…und und und.

Kannst du wahrnehmen, was dort trotz Klinikbetrieb an einem Sonntag Abend gelaufen ist?

Man hat dort offensichtlich eine Menge getan, damit die Mutter etwas von dem finden konnte, dass es ihr ermöglicht hat, sich soweit zu entspannen und vor allem zu öffnen, dass die ganz normalen Geburtsprozesse ihren Lauf nehmen konnten.

Als ob die Mutter und Kind nur auf diesen Moment gewartet haben, der ihnen die nötige Sicherheit und Geborgenheit geben sollte. So manche Mutter weiß, dass schon ein Schichtwechsel einer Hebamme, die Prozess erleichtern oder erschweren kann.

Die Umstände, bei aller Klinikerfahrung, haben es geschafft, dieser Frau einen sicheren Raum zu geben. Einen Raum, der es Geburtsprozessen allgemein ermöglicht die volle Biologie im Zusammenspiel zwischen Mutter und Kind auszuschöpfen.
Regelkreise und Hormonkreise zu einem Abschluss zu bringen, damit Mutter, Kind und Vater im positiven Sinne in einer ‚heilenden Frequenz baden‘ können, die allen dienlich sein wird.

Eine sinnvolle Biologie will greifen und will zu einem positiven Abschluss gebracht werden. Biologische Kreise wollen geschlossen werden, damit ein Kind gestärkt in seine Zukunft wachsen kann. Wenn alles gut läuft, wird die erste Matrix (Mutter) auf sicherem und vor allem ungestörten Wege gegen die nächste Matrix (unmittelbare sichere Umgebung) ausgetauscht.
Erste positive Lernprozesse finden in einem sicheren Raum statt. Darauf kann dann alles weitere wundersame Lernen sicher aufbauen.

Das wünsche ich mir. Das darf uns nicht verloren gehen.
Wir dürfen es nicht zulassen, dass Geburt und Gebären von einer Entbindungsindustrie überrollt wird und Familien langfristig Schaden nehmen.
Lasst euch nicht von einer würdelosen Maschinerie auffuttern.
Seid stark! Bleibt verbunden mit eurer inneren (Löwen) Mutter!

Auch in meinem Buch ‚JENSEITS ALLER ERZIEHUNGSVORSTELLUNGEN‘ findest du die eine oder andere Geschichte, die die Verbindungen zwischen Geburt und Lernen aufzeigt. Auch in meinem Buch ist die Gebärmutter der Ort, an dem alles beginnt. Hier findest du weitere Info zu meinem Buch