Bist du in der Lage ‚richtig‘ Erdbeeren zu pflücken? Wie effizient muss Kind sein?
Kürzlich war ich mit meinem Vater (91) auf einem Biolandhof, um Erdbeeren zu pflücken. Ein Riesenacker, voll mit Erdbeerreihen vor meinen Augen.
Mit zwei großen Schüsseln unter den Armen, begebe ich mich zwischen die Reihen und beginne freudig mein Werk. Kaum kann ich es erwarten, bis die erste selbst gepflückte Erdbeere auf meiner Zunge zergeht. Eine in meinem Mund, zwei in die Schüssel, zwei in meinen Bauch, drei Reihen quer gehen. Hier mal naschen, da mal pflücken.
Meine Schüssel füllt sich, in dieser etwas chaotisch, mehr umher tanzenden Art. Mir geht es gut. Ich geniesse die Zeit auf dem Erdbeerfeld und beobachte aus einem Auge heraus meinen Vater, der nun auf einem Stuhl im Schatten angekommen, die Stille und die eine oder andere Hand voll Erdbeeren geniesst.
Ich sehe ihn, es geht ihm gut. Die Finger verklebt, Hose und T-Shirt fleckig vom tropfenden Erdbeersaft, den Sonnenhut im Gesicht.
Es war ein Ausflug in die Erdbeeren, der mehr eine Vater -Tochter Zeit sein sollte, als ein ergebnisorientierter Pflück-Abriss.
Nun erfahre ich von dem jungen Erdbeerfachmann an der Kasse, dass ich gebeten werde, die Erdbeeren strukturiert zu durch pflücken. Er möchte mir eine Reihe zuweisen und bittet mich, das Ende meiner effizienten Pflückung, durch das Markieren mit einem Häufchen Stroh sichtbar zu machen.
Einige Minuten versuche ich mich auch artig daran zu halten. Ich bemühe mich ernsthaft Erdbeeren ‚richtig‘ zu pflücken.
Fachgemäß erklärt mir der junge Mann, dass sich meine Schüsseln dann viel schneller füllen würden.
Ich verstehe. Ja, es macht Sinn, Erdbeeren genau in dieser Art zu pflücken.
Aber verdammt! Es mag mir nicht so recht gelingen. Es will mir einfach nicht von der Hand gehen, Erdbeeren ‚richtig‘ zu pflücken. Effizient, zielorientiert und strukturiert.
Ich, die ich zu diesen Menschen gehöre, die, wie so manches Kind ein Erdbeerfeld eher durchtanzen würde, fühle mich echt verunsichert und gestört.
Ich verstehe diesen Mann. Aus seiner Sicht eines ‚erdbeerlichen‘ Wirtschaftsunternehmens ist das alles richtig. Ja-stimmt!
Heute aber möchte ich eine Presche schlagen für all die kreativen Chaoten-Pflücker, so wie ich eine bin. Für diese Menschen (vor allem die vielen Kinder), die ihren Weg scheinbar strukturlos tanzen. Für diese Chaoten, die keinen blassen Schimmer davon haben und vermutlich kaum je haben werden, dass sich eine Schüssel schneller anfüllt, wenn man in der Reihe bleibt.
Denen es in diesem Moment auch reichlich egal ist, weil sie Freude, vielleicht sogar den Sinn im Leben, genau zwischen den Erdbeerreihen finden.
Ich, wie viele Kinder, wir tun uns so entsetzlich schwer in geraden Linien zu pflücken. Wir benötigen das Hopsen zwischen den Reihen. Je älter wir werden, desto besser verstehen wir dann auch das wir die‚ ‚Erwachsenen-gerade-Linien-Erdbeerpflücker’ total aus ihrem Konzept bringen. Durch unser kreatives Chaos verunsichern wir diese mehr strukturierten Wesen. Durch unsere Lebens- und Denkweise bringen wir jede Organisation und jede feste Struktur ins Wanken. (Umgekehrt, sind wir Chaoten-Erdbeerpflücker natürlich ebenso durch die gängigen Denkweisen gestört)
Heute möchte ich dich um Unterstützung und vor allem, um verbindende Gedanken bitten. Ich möchte auch deine Ideen einsammeln, um die Daseinsberechtigung der ineffizienten Erdbeerpflücker zu zementieren.
- (Er)kennst du sie?
- Welche Funktionen haben kreative Chaoten-Pflücker?
- Wo können strukturierte und chaotische Erdbeerpflücker Hand in Hand arbeiten?
- Wie würde eine Welt ausschauen, in der es Verständnis für Erdbeerpflücker jeder Couleur gäbe?
In einer Welt, die derzeit sehr dazu angehalten ist, junge Menschen dazu zu bewegen, Erdbeeren ausschliesslich nach Effizienz und in der Reihe zu pflücken, gehen (junge) Menschen, die ihr Leben zwischen den Reihen tanzen müssen, unter. Sie sind anders begabt und auf völlig andere Art und Weise effizient.
Sie brauchen unser gutes Auge und unser Wohlwollen, denn sie sind die notwendigen, exotischen Gewürze in der Suppe. Sie sind die erforderlichen, feinen Nuancen, die es verhindern sollen, dass Einheitsbrei entsteht. Sie sind Wächter, damit sich die menschliche Tendenz, Einheitsbrei zu kochen, immer wieder in Möglichkeiten für individuelle Geschmackserlebnisse, verwandeln kann.
Schreib mir gerne, wie du persönlich deine Erdbeeren pflückst und freu’ dich mit mir, dass es auch die jeweils anderen Herangehensweisen gibt.
Hier findest du mein Beratungsangebot. Gerne kannst du auch zur Mühle kommen und eine Übernachtung mit einer Mischung aus Beratung und Behandlung kombinieren. Schreib mich einfach an.
Ja so sieht mein leben aus, egal wo ich gearbeitet habe, ich arbeite genauso 😉 chaotisch und oft und gerne unstrukturiert, alles andere macht mir keinen spass. Allerdings haben so auch selten kollegen mit mir freude, was es nicht einfacher macht. Nun bin ich mit meinen kids zuhause und (meist) glücklich,fa ich jeden tag so gestalten kann wie ich will. Mir graut es schon vor der weiteren zukunft wenn ich wieder muss…
Hallo Tina, vielen Dank für deinen ehrlichen Bericht zu deiner individuelle Art und Weise. Ich wünsch‘ dir, dass du dir deinen Weg zukünftig so gestalten kannst, dass es für deine persönliche ‚Struktur‘ passt.Gute Kraft dafür. Beste Grüße Uta
Liebe Uta,
die Vielfalt macht das Leben bunt und jedes ökologische System „gesund“! Die Misslage entsteht dadurch, dass die einen den anderen sagen wollen, „wie es geht“. Denn im Erdbeerfeld – und im Leben – ist garantiert Platz und Zeit für alle Charaktere! Wieso freuen wir uns nicht am „Anderssein“ sondern müssen es unserem eigenen Bild anpassen? Fühlen wir uns dadurch selbst „richtiger“?
Für mich passt einfach beides, und vielleicht habe ich selbst an einem Tag (oder in der Früh) Lust durchs Feld zu tanzen und am nächsten Tag (oder am Abend) Lust auf die Struktur. Aber es würde mich BEIDE Male stören, anders sein zu sollen!
Ich plädiere für Toleranz und Verständnis – sowohl im Erdbeerfeld als auch im Leben!
DANKE dir für dieses schmackhafte Beispiel!
Liebe Grüße,
Heidi
Vielen Dank dir. Wie schon geschrieben, mir geht es ganz ähnlich. LG Uta
Liebe Uta!
Es macht Spaß diesen Text zu lesen!
Ich würde deinen Pflückstil gerne freudvoll nennen. Was geben Pflücker wie du der Gesellschaft? Ein Vorbild im Fluss zu sein, seine Gefühle zu leben und mit Freude Dinge zu tun, die sich dann gar nicht nach Arbeit anfühlen. So entstehen ganz neue kreative Konzepte und es wird viel leichter um die Ecke gedacht, weil das Bauchgefühl mitredet und nicht das Über-Ich alles vorgibt.
Ich selbst bin schon gerne strukturiert und halte mich gerne an Regeln. Kann mich auch beim strukturierten Vorgehen entspannen. Wobei ich gerne die schönsten Beeren pflücke und die weiter verteilt sein könnten, als in einer Reihe. Dennoch versuche ich im Leben auch meinem inneren Kind Raum zu geben und breche hin und wieder ungeschriebene Regeln und manchmal auch geschriebene mit großer Freude
Danke für diesen schönen Text!
Hab einen wundervollen Tag! Tu deine Dinge weiterhin mit Freude, weil du willst was du tust und im Fluss bist!
Alles Liebe!
Liebe Ilona, vielen Dank für deine blumige, unterstützende Art. Immer wieder schön ein Feedback zu bekommen, einen ‚Berührungspunkt‘ in der eigenwilligen Onlinewelt. Merci Uta