Für das Leben sollen die Kinder lernen. Für welches bitte?

Ich kann es wirklich gut verstehen, wenn ein Kind sich folgende Frage stellt : „Was meinen Erwachsene eigentlich damit, wenn sie behaupten, dass ich für das Leben lerne?“
Aus ihrer Sicht müssen wir Erwachsene schon einigermaßen schräg daher kommen, wenn wir sie mit unseren merkwürdigen Ideen zu Erziehung und Bildung von ihrem Leben weg bewegen.

Für die Kinder existiert ja nur der gegenwärtige Moment und genau da findet das Leben statt. Wieso sollte man sich als Kind Gedanken machen, was nach dem Kindergarten kommt oder nach der Schule? Das ist es nämlich, was Erwachsene sich vorstellen, wenn sie behaupten, dass es wichtig sei, für das Leben zu lernen.

Ich denke, dass wir die Kraft und das heilsame Verweilen der Kinder im jetzigen Moment völlig unterschätzen. Wir trennen die Kinder von ihrem Leben in der Gegenwart. Hier sind die wesentlichen Schätze und Ressourcen für sie verborgen.

Unsere Vorstellung von Lernen ist beschnitten auf das Anhäufen und Abspulen von Informationen. Dabei sind wir so sehr ‚mit-einem-immer-nur-noch-mehr-an-Information‘ beschäftigt, dass die eigentlichen Seinsqualitäten eines Kindes erdrückt werden und wir uns im Bereich Erziehung und Lernen in einer sehr ungesunden Spirale befinden.

Wann werden wir verstehen, dass das Anhäufen von Wissen und das Durchorganisieren von Kindheit nicht Sinn und Zweck eines gesunden Entfaltungsprozesses sein kann?

Vielmehr würde es darum gehen, Kindern den Raum zu geben, in dem sie lernen, Körper, Geist und Seele in einem gewissen Gleichgewicht zu entfalten. Dazu bräuchten sie Gelegenheiten, in denen sie selbst aktiv und selbstbestimmt Entscheidungen treffen könnten und handeln könnten, ohne das Erwachsene ständig ihr Leben organisieren und zensieren.

Wie sollen Kinder je lernen, wenn sie ohne Unterlass belehrt werden? Wie können junge Menschen zu den Feinheiten finden, wenn man allgemein der Meinung ist, dass sie diese Information doch einfach nur platt übernehmen müssten? Was das Schlimmste daran ist, dass all diese Berge von Unterrichtsstoff weder deren Bedürfnisse trifft, noch deren Gefühle und inneren Interessen gefragt sind. Es geht nur um das stumpfe Übernehmen.

Ein Lernen, dass sinnvoll wäre, würde doch gerade Eigeninitiative und persönliches Engagement unterstützen. Es würde Selbstwirksamkeit als Motor haben, dessen Energie sich dadurch immer wieder selbst erhalten und erneuern würde.

Wir hingegen setzen auf das Pferd, das Fakten konsumieren soll? Wir haben eine künstliche Lernwelt geschaffen, die noch immer ihren Sinn in einem Anhäufen und Verarbeiten von immer detaillierteren Puzzleteilen sieht. In dieser Welt, hat Lernen nichts mit emotionalen Zusammenhängen zu tun.
Kinder sollen das alles schlucken und Erwachsene werden zu Vollzugsbeamten, die immer mehr Disziplinierungsmassnahmen und Druck benötigen, weil die sozialen und emotionalen Bedürfnisse zuvor fein säuberlich weg seziert wurden, sich, aber nun gewaltsam und sehr eigenwillig überall ihren Weg bahnen.

Kinder lernen zwar tonnenweise Wissen anzuhäufen, aber durch das von den sozialen Umständen und der emotionalen Intelligenz künstlich abgetrennten Faktenvermittlung, bleibt das Menschliche auf der Strecke. All das fliegt uns im Moment um die Ohren.

  • Wo lernen die Kinder, auf ihre und die Bedürfnisse der anderen zu lauschen?
  • Wo lernen sie Konflikte, die sie ja jeden Tag haben, zu lösen?
  • Wo lernen sie etwas über ihr eigenes Wohlbefjnden und das der Anderen, auch wie sie damit angemessen umgehen?
  • Wo lernen sie etwas über Zufriedenheit oder wie man dem folgt, was einen im Leben interessiert oder gar ruft?

Es gilt nicht nur, dass sie darüber etwas lernen, sondern das sie schlichtweg auch die Möglichkeit haben, überhaupt derlei Erfahrungen zu machen. Natürlich mit dem Verständnis, dass man dazu auch eine gehörige Portion Fehler machen muss.

Das ganz normale Leben eben.

Wo können sie es führen? Wo können sie derlei Erfahrungen machen, wo wir Erwachsene nicht diese künstliche, fein säuberlich sezierte Fakten- und Informationswelt geschaffen haben?

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Kein Wunder also, dass junge Menschen, sich die Frage stellen, für welches Leben, sie denn lernen sollen? Sie haben völlig recht mit dieser Frage, denn wir Erwachsenen haben da die bedeutsamsten Dinge heraus seziert, weil wir eine recht primitive Vorstellung davon haben, was Lernen bedeutet.

Und wieder stelle ich mir die Frage, ob sie nicht alle Recht haben, die jungen Menschen?
Recht haben, mit all ihrem Aufbegehren, mit ihren Störungsbildern, Aggressionsbereitschaft, Burnout-Symptomen, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Schulverweigerung und all den unzähligen Brennpunkt Themen?

Ja, für das Leben sollen sie lernen, meinen die Erwachsenen. Und die jungen Menschen regieren überaus intelligent, wenn sie sich fragen, was die Erwachsenen wohl damit meinen? Sie reagieren auch intelligent, wenn sie uns all diese Bilder der Störung zeigen.

Es ist in der Tat fragwürdig.

 

Hier bekommst du Informationen zu meinem nächsten Tagesseminar am 09.06.18.