Wie die Lust am selber Lernen durch Gleichgültigkeit erstickt wird

Wie die Lust am selber Lernen durch Gleichgültigkeit der Erwachsenen erstickt wird. Meine Reflexion auf den Kinofilm – Das Prinzip Montessori

Gemeinsam mit einigen Leuten habe ich mir vergangene Woche den Film Das Prinzip Montessori angeschaut.

Dieser Film hat mich mit seinen stillen Bildern und Einstellungen unmittelbar in die Ruhe gezogen. Die Dokumentation hat einen Einblick in eine Montessori Einrichtung gegeben. Die Tatsache, dass es ein französischer Film mit deutschen Untertiteln und Kommentaren war, hat seine eigenwillige Wirkung auf mich unterstützt.

Mich haben diese Bilder in der Tiefe berührt. Es hat nun einige Tage gedauert, bis ich es in Worte fassen kann, was passiert war.

Nicht etwa weil ich müde war und weil es ein Abendfilm war, wurde ich in der Hälfte des Filmes unruhig, sondern weil der Film sich sozusagen an meiner Verstandeszäsur vorbei geschmuggelt hatte.

Ich wurde unruhig. Mit stärker werdender Intensität rutschte ich von einer Pobacke auf die andere. Das hat mich sehr verunsichert. Ich dachte: Was ist eigentlich mit mir los? Mir war so kribbelig und ich hätte aus der Haut fahren können. Ein lauter Schrei durch den Kinosaal hätte mir gut getan.

Wieso nur hatten diese schönen und harmonischen Bilder eine derart emotionale Wirkung auf mich?

Ich sah diese Kinder, die ein großes Maß an Konzentration und Intensität hatten. Sie sahen so zufrieden aus und in sich ruhend. Ich sah sie, wie sie Zeit hatten, um herauszufinden, was sie wollten und was sie brauchten. Ich sah, wie sie Fehler machen konnten. Ich sah sie, wie sie etwa verschütten und kaputt machen konnten, ohne dass sie sich schlecht fühlen mussten. Ich sah, wie man ihnen Glas, Porzellan, Feuer und Messer zutraute. Ich sah, wie man ihnen alle Zeit der Welt gab, um ihnen ihre Trauer zuzugestehen, weil Mutter sie in der Schule lassen musste. Ich sah, wie sie Meinungsverschiedenheiten hatten, aber diese souverän lösen konnten, auch das gestand man ihnen zu. Ich sah, wie sich Erwachsene auf die Knie begaben, um sie zu begrüßen. Ich sah verträumte Kinderaugen und das es für die Erwachsenen völlig ok war, das ein Kind verträumt ist und seine Zeit braucht, um den rechten Zugang zu seinem ureigenen Tun und Sein zu finden.
Ich sah, wie ein Kind unschlüssig war, was es denn tun solle und das dauerte eine ganze Zeit. Genau bis zu der Sekunde, wo es von Innen eine Wissen hatte, was nun stimmig sei und es legte los.Ich sah Schönheit, auch in Form von frischen Blumen im Zimmer. Ich sah Kinder, die in alltägliche Arbeiten wie Bügeln und das Zubereiten von Speisen verwickelt sind. Ihnen allen gemein, ein ausgesprochene Bestimmtheit, in dem was sie tun.
Ich sah Erwachsene, die ‚nein’ sagen konnten, ohne verletzend zu werden. Ich sah Erwachsene, die ein ungeheures Maß an Präsenz und Zuwendung gaben. Ich sah Erwachsene, die Individuen sehen, Persönlichkeiten sich entfalten lassen.

Meine Person wurde in diesem Film in den deutlichen Beweis der Machbarkeit und Umsetzbarkeit von dem hineingezogen, wie es für Kinder laufen könnte. Mir wurde einmal wieder vor Augen geführt, dass es Wege gibt, die Kinder stärken und sich in einer Form entfalten lassen, die für die meisten Menschen nicht einmal vorstellbar sind.
Ja, es gibt Erwachsene, die diesen Weg mit jeder Faser ihres Wesens gehen und Kindern Räume ermöglichen, in denen Lernen/ Lebenslanges Lernen möglich werden kann.

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Alle Anerkennung für ein Prinzip Montessori, doch will ich diese Fähigkeiten an dieser Stelle nicht nur an Montessori festmachen, denn ich habe diese Haltung jungen Menschen gegenüber ebenfalls in anderen Zusammenhängen und Einrichtungen beobachtet.

Ich wurde zusehends wütend und sauer. Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte es in diesen Kinosaal geschrieen.

„Was machen wir bloß mit Kindern? Wie kommt es, dass wir den ureigensten Empfindungen und menschlichen Bedürfnissen der Kleinsten gegenüber so ignorant und vor allem gleichgültig sind?“

Ich habe immer gedacht, dass Aufklärung und das Aufzeigen von Strukturen, die Kindern ein glückliches Leben ermöglichen, ein Leben, in dem sie zumindest in einem großen Maß bei sich sein können, doch möglich sein müsste? Nach dem Motto:

„Da schau doch! Es gibt sie doch diese Möglichkeiten! Warum tun wir es denn nicht? Warum ermöglichen wir den Kindern nicht einfach das, was ihr Geburtsrecht ist? Warum denn nicht?“

Doch jetzt glaube ich, ich habe mich damit einfach geirrt. Das stimmt so nicht. Es geht hier nicht weiterhin um Aufklärung, Inspiration und noch mehr Wissen um Gehirnforschung, Psychologie und Pädagogik.

Das Problem ist ein ein viel Größeres. Wenn die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Bremsklotz wären, dann hätten wir längst Schritte sehen müssen. Deutliche Schritte, hin in Erziehung und Lernen, die Kindern wahrlich dienlich sind. Es vergeht kein Tag, an dem uns nicht verkündet wird, was man bezüglich den Erfordernissen für eine gesunde und glückliche Kindheit herausgefunden hat.

Das Alles ist aber nicht hilfreich genug. Es passiert nicht schnell genug, genau das, was es bräuchte, damit unser aller Kinder nicht weiterhin in großem Stil in Betreuungseinrichtungen und Schulen verletzt werden, an Seele und Körper. Ähnlich der Fragestellungen zum Klimawandel, ist es auch hier eine Minute vor Zwölf.

Doch die Herausforderung ist nicht etwa mangelndes Wissen, nicht genug Geld, zu kleine Klassenzimmer, zu wenig Lehrer, marode Schultoiletten, zu schlechte Ausbildungen, Inklusion, Integration usw. , sondern schlicht und einfach Gleichgültigkeit und Ignoranz.

Diesem Gegenspieler ist viel schwieriger zu begegnen, denn Gleichgültigkeit und Ignoranz sind so subtil, man kann sie nicht greifen. Gleichgültigkeit, den wahren Bedürfnissen der Kinder gegenüber flutscht uns geradezu durch die Finger. Das alles, während wir gerade so angestrengt damit beschäftigt sind, die Sache mit den Schultoiletten und dem Lehrermangel in Ordnung zu bringen.
Gleichgültigkeit und Ignoranz gegenüber den Kindern sind nicht so offensichtlich. Man kann die Haltung gegenüber jungen Menschen schnell mal an die Seite parken und meinen, dass die maroden Klassenzimmer und die angeblichen finanziellen Engpässe wirklich von Bedeutung seien.
Die Folgen von Gleichgültigkeit und Ignoranz gehen ganz klar unter bei dem lauten Geschrei und Getöse, des ganz normalen, profanen Alltags. Dem pausenlosen Versuch äußere Bedingungen zu verändern.

Nicht so in diesem Film, der für mich mit ganz leisen Tönen und langsamen Bildern daher kam. Seine Botschaft ging für mich ganz tief rein. Die Botschaft an mich liegt darin, den gegenwärtigen Moment der Kinder mit Schönheit und Feinheit und Freiheit zu zeichnen. Der allgegenwärtigen Gleichgültigkeit und Ignoranz der Lebensäußerungen der Kinder, ein Ende zu machen.

Und wer, nach einem solchen Film daher kommt und noch immer meint, diese Ansätze seien nicht umsetzbar, weil der Klassenraum zu klein sei etc. Oder man setze das ja um, weil man jedes Jahr einmal von den Kindern die Kastanien aufsammeln lasse, um dann kleine Figuren daraus zu basteln, der hat es nicht ertragen, sich von der Wahrheit der authentischen Bilder in der Tiefe berühren zu lassen. Der mag nicht verstehen. Der braucht ein paar lächerliche Ausreden und Betäubungsmechanismen, um die schmerzhafte Wahrheit nicht an sich heran zu lassen, dass man im Grunde Jahrzehnte oder Jahrhunderte an der Entfaltung von der bedeutendsten, menschlichen Werten vorbei erzogen oder auch unterrichtet hat.


Weit entfernt vom Ruhepuls - Wie kommt die Über(an)spannung in die Kinder?

Vor zwanzig Jahren habe ich in Amerika ein sechswöchiges Internship bei einem Psychologen verbracht. Ein Internship ist eine Zeit, in der man einen Mentor sehr intensiv begleitet, um tiefer einzusteigen und zu lernen. Ich habe seinerzeit die Zusammenhängen von Körper und Emotionen ein weiteres Stückchen erarbeitet. Neben der Begleitung seiner Seminare und Beratungsgespräche, hatte ich eine intensive Zeit der Innenschau.

Eines Tages haben wir einen seiner Freude besucht, der Forschung auf diesem Gebiet zwischen Gehirn, Körper und Emotionen betrieb. Ruck zuck war ich an irgendwelche Maschinen angeschlossen, die meine Gehirnaktivität messen sollten und an ein anderes Gerät, dass den Grad meiner Entspannung sichtbar machen sollte.

Dieser Forscher fragte mich, ob ich denn entspannt sei und nach einem kurzen Check gab ich ihm zur Antwort, dass ich entspannt sei. Er grinste und zeigte mir an Hand einer Skala, dass ich weit davon entfernt sei, entspannt zu sein. Tja!

In unserer Zeit der ständigen Verfügbarkeit, dieser enormen Schnelligkeit, des immer bereit für Handlung sein müssen, haben sich die Parameter verlagert, die uns ein gutes Körpergefühl und ein Sinn für Entspannung geben.
Auch hier glauben wir so gerne, dass uns die Espresso-Variante zu wahren Entspannung verhilft. Ein Stündchen Yoga die Woche, der zwanzig Minuten Fußweg zur Arbeit, die Tasse Cafe im Stehen.

Ich denke, das unser Nervensystem derart überspannt ist, dass wir kaum mehr ein Maß für eine wirkliche Entspannung haben. Wir sind meilenweit entfernt vom Ruhepuls und merken es nicht mal.

Meine sehr verehrte Feldenkrais Lehrerin hat uns, mit einem Augenzwinkern immer wieder sehr eindringlich auf Menschen aufmerksam gemacht, die nach einer Körperbehandlung in gewisser Weise zusammenklappen. Diese gestresste Mutter, die nach einer Behandlung in ein Loch fällt, oder dieser Mann, der sich nach einer Behandlung subjektiv schlaff fühlt, weil er das Maß an Entspannung seit langem nicht mehr erlebt hat.
Von meiner Lehrerin kam dann der Satz: „It is the Tension, that keeps me together:“ ( Es ist die Spannung, die mich zusammenhält.)

Woran merkst du, dass du entspannt bist?
Meinst du, dass da noch etwas mehr geht?
Wieso fällt es uns so schwer ein volles Maß an Entspannung zu erlangen?
Was ist ein volles Maß an Entspannung? Wie würde sich das anfühlen?

Ist es denkbar, dass unsere Kinder sich das Überangespannt sein von uns ‚abschauen‘? Ist es denkbar, dass die Art Betriebsamkeit, das Funktionieren müssen, nicht wirklich loslassen und abschalten können, mit ein Grund für viele Probleme im Alltag mit den Kindern ist?

Kann es sein, dass in unserem Leben als Erwachsene die Parameter für Entspannung und damit für ein gesundes und zufriedenes Leben derart verschoben sind, dass wir gar nicht mehr so selbstverständlich zu einem gesunden Maß finden? Ist es denkbar, dass wir so angespannt sind, dass wir kein gesundes Empfinden für wirkliche Entspannung haben?
Kann es sein, dass viele Schwierigkeiten im Leben mit den Kindern, der Versuch der Kinder sind, mit unserem Aufgedreht sein und unserer Überanspannung im Nervensystem zu kooperieren?

Vielleicht wirst du denken, dass das ja nun alles nichts Neues ist. Und ja klar, wir brauchen mehr Entspannung und Entlastung. Ja, ja, Entspannung und Stille, damit wir dann später um so höher, größer, schneller, weiter….

Das ist aber nicht der Punkt, den ich an dieser Stelle machen möchte.

Ich möchte vielmehr darauf hinaus, dass unsere Kinder viel mehr eigene Zeit, eigene Rhythmen, Möglichkeit für ihre ureigene Stille, Ruheräume benötigen, um ihr Nervensystem überhaupt gesund und natürlich entfalten zu können.
Ein wesentlicher Bestandteil liegt für mich darin, dass die jungen Menschen weiterhin 'Besucher' ihrer eigenen Innenwelt bleiben können und dürfen.

Ich bin der Meinung, dass wir sie da nicht so schnell und unbedacht heraus holen dürfen. Später, wird es ihre Quelle der Kraft, Kreativität und Lebensfreude sein. Wenn sie viel zu früh gezwungen sind, ihre inneren Räume zu verlassen, um mit Erwachsenen zu kooperieren, die auch nicht wissen, was sie tun, dann ist das ziemlich problematisch.

Da die Kinder die Meister der Kooperation sind, liegt es in meinen Augen in der Verantwortung der Erwachsenen nicht nur für diese ‚äußeren’ Formen von Bildung einzustehen, sondern diese inneren Formen von Bildung anzuerkennen und zu ermöglichen.

Somit sind wir hier in der Verantwortung. So, wie Kinder lernen, sich zwischen den Zeilen unseren Stress abzuschauen, so bräuchten sie dann Gelegenheit sich zwischen den Zeilen das abzuschauen, was ich als Erwachsene tun würde, um gut für mich zu sorgen.

  • Ist es das sie von mir mitbekommen, dass ich gestresst zum Yoga hechte?
  • 
Ist es, dass sie mich schreien hören, weil ich verdammt noch mal, einen Moment für mich benötige?
  • Ist es, dass sie abends spüren, dass ich sie leicht hochtourig ins Bett bringe, weil ich weiß, dass ich dann gleich!!! Zeit für mich brauche?
  • Ist es, dass ich Tag für Tag über den morgendlichen Ablauf lamentiere, ohne ein paar Entscheidungen zu treffen, die vielleicht unbequem sind?
  • Ist es, dass ich mich scheue mit meinem Lebenspartner ein Gespräche über unsere grundsätzliche Lebensrichtung zu führen?
  • Ist es, dass ich das Kind, wider meines besseren Wissens, in eine Tageseinrichtung gebe, von der ich weiß, dass dieser Umstand uns allen nicht gut tut?
  • Ist es, dass ich mit Schwiegermutter und Kinderbetreuung einen faulen Kompromiss eingehe, wohl wissend, dass dies zu emotionalem Rückstau in meiner Familie führt.
  • Ist es, weil ich selber renne, aus Unsicherheit den Schmerz der nötigen Bewusstwerdung meines Marathons zu spüren?

Glaubst du, dass unsere Kinder lediglich das lernen, was ihnen in der Schule vorgesetzt wird?

Wir brauchen ein größeres Wissen dazu, wie diese natürlichen Abläufe sich vollziehen, welche Voraussetzungen es braucht, damit Kinder sich gut in ihren eigenen Strukturen verwurzeln können, damit ihnen später auch Flügel wachsen können.

Derzeit erscheinen mir die Flugversuche sehr erschwert zu sein, zu viele Kinder machen schmerzhafte Bauchlandungen. Unzureichend mit sauberen Flugqualitäten ausgestattet, die sie sich bei Erwachsenen nur schwer abschauen können.

 

 

Hier findest du nun Teil 2 dieser Serie: Zurück zum Ruhepuls. Wege aus der Über(an)spannung im Leben mit Kindern.

 

 Hier findest du Informationen zu meinem Beratungsangebot. Gerade gestern sagte eine Mutter zum Ende meines  Seminar s: "Die Leichtigkeit ist noch da, ich muss sie nur wieder reinlassen